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August 22, 2024 4 min lesen.
Unter dem Namen San Luis bieten wir kurzem einen besonderen Kaffee an, den wir über Nikolai Fürst und sein Unternehmen Desarrolladores de Café beziehen. In diesem Zuge hatten wir die Gelegenheit, uns mit Nikolai über Kaffee in Kolumbien, internationaler Kaffeeproduktion und -Handel, sowie über die Geschichte hinter dem Kaffee zu unterhalten.
Desarrolladores - das ist spanisch für “Entwickler”. Es ist kein Zufall, dass Nikolai diesen Namen für sein Unternehmen gewählt hat. Als er sich dazu entschied, nach abgeschlossenem Studium der Kultur- und Sozialanthropologie nach Kolumbien auszuwandern, um dort im Kaffeesektor zu arbeiten, wurde er gefragt, was eigentlich der Kern seiner Idee sei. Die Antwort lautete: “ich möchte Kaffees entwickeln”. Nun ist die grammatische Form “Desarrolladores” eine Pluralform, und natürlich ist auch das kein Zufall. Nikolai geht es um ein kooperatives Projekt zwischen Kaffeefarmer*innen und ihm selbst. So hat die Idee der Kooperation ihren Weg in den Namen gefunden, ist somit elementarer Kern des Geschäfts- und Erfolgsmodell.
In Europa kennt man Desarrolladores de Café vor allem als Rohkaffeeimporteur. Jedes Jahr kommen einige wenige, handverlesene Lots von Nikolai nach Europa. Charakteristisch für diese Lots ist, dass sie exzellent aufbereitet werden - was natürlich kein Zufall ist. Die ersten Aktivitäten unter dem Namen waren verschiedene Versuchsreihen hinsichtlich Aufbereitung, mit dem Ziel, Processing besser zu verstehen und steuern zu können. Wichtig ist Nikolai, dass diese Versuchsreihen nicht unter dem Selbstzweck der Experimentierfreudigkeit zu betrachten sind - denn verschiedene KaffeefarmerInnen verfügen über verschiedene Möglichkeiten, haben verschiedene Vorlieben und Begrenzungen. Einige FarmerInnen, mit denen Nikolai zusammenarbeitet, verlassen sich lieber auf Aufbereitungsmethoden, die im Kontext ihrer Farmen erprobt sind. All dies bestätigt den Kerngedanken, das Selbstverständnis von Desarrolladores de Café: es geht darum, in einer kooperativen und gemeinschaftlichen Beziehung Kaffees zu entwickeln.
Warum das Ganze? Es darf nicht sonderlich überraschen, dass der weltweite Kaffeeanbau diverse Schmerzpunkte zeigt. Der offensichtlichste - und vermutlich auch weitreichendste - ist sicher, dass zu wenig für Rohkaffees bezahlt wird. Somit suchen ProduzentInnen nach Wegen, um höhere Erlöse für ihren Rohkaffee zu erzielen. Der erste Weg, den der Markt bisher aufzeigt, liegt darin, eine höhere sensorische Qualität zu erzielen - und das ist einer der Hebel, an dem Nikolai Fürst mit Desarrolladores de Café ansetzt. Doch es hört dort nicht auf: Desarrolladores de Cafe bietet den FarmerInnen auch Hilfestellung im wirtschaftlichen Alltag, beispielsweise indem eine gemeinsame Preiskalkulation betrieben wird.
Es fällt auf, dass Nikolai im Gespräch immer die Lebensrealität der KaffeeproduzentInnen in den Blick nimmt. Deutlich wird das am Beispiel der Preise - immer und immer wieder betont er, dass das Ziel darin liegt, KaffeeproduzentInnen ein auskömmliches Leben zu ermöglichen. Es geht darum, dass Ausbesserungsarbeiten keine Existenzbedrohung darstellen dürfen, dass Investitionen auf Farmen ermöglicht werden sollen und dass Arbeitskräfte ordentlich bezahlt werden - aber auch darum, dass Farmer*innen sich für harte Arbeit belohnen dürfen. Ebenso soll der Spaß an der Arbeit wachsen - diese Feststellung allein zeigt die differenzierte Perspektive Nikolais.
Kurzum: der Anbau von Kaffee muss attraktiver werden, auch um einem zweiten Schmerzpunkt im Kaffeehandel entgegenzuwirken: die Branche leidet an Überalterung. Die Zeiten, in denen Kaffeeexporte in Kolumbien 70% des Exportvolumens ausmachten, sind vorbei - das Land hat innerhalb einiger Jahrzehnte einen bedeutenden gesellschaftlichen Strukturwandel erlebt. Junge Menschen, die Zugang zu Social Media haben und aus erster Hand erleben, wie hart ihre Eltern für wenig Ertrag zu arbeiten haben, zieht es zunehmend in die Städte, wo ihnen Ausbildungs- und Berufschancen offen stehen, die ihren Eltern noch verschlossen waren. Das führt immer häufiger zu offenen Fragen der Nachfolgeregelungen auf Kaffeefarmen.
Die Finca San Luis wird seit langem von der Familie Arango bewirtschaftet. Derzeit wird die Finca von Patricia und Omar Arango geführt. Der Beginn der Zusammenarbeit zwischen Familie Arango und Desarrolladores de Cafe datiert bis ins Jahr 2015 zurück und steht beispielhaft für die intensive kooperative Zusammenarbeit zwischen Desarrolladores de Cafe und Kaffeeproduzent*innen. Standesgemäß begann die Zusammenarbeit mit ausgedehnten Aufbereitungsexperimenten, die Omar und Nikolai gemeinsam durchführten. Das Resultat - eine Vielzahl diverser sensorischer Profile - beeindruckte beide, die Grundidee der Desarrolladores de Café war manifestiert. Bis heute verbindet die Finca San Luis eine enge Partnerschaft mit Nikolai Fürst und seinem Team.
Aus dieser Partnerschaft stammt der Kaffee, den wir derzeit als San Luis im Angebot haben. Auffällig am Kaffee ist die botanische Erscheinung - die Kaffeekirschen schimmern in vielen verschiedenen Farben. Um zu verstehen, weshalb das der Fall ist, muss man tief in die Geschichte der Farm zurückgehen. Die ersten Pflanzen, die auf der Finca San Luis - damals noch unter der Aufsicht eines Pfarrers namens Padre Luis - gepflanzt wurden, waren Typicas und Bourbons. Im Laufe der Zeit kam es zu spontanen Kreuzungen zwischen den Pflanzen, die eine genaue Abgrenzung und Zuordnung zu einer Varietät inzwischen durchaus schwierig machen, die Farblichkeit der Kaffeekirschen ist dabei nur das offensichtlichste Beispiel. Im Feld entschieden Omar und Nikolai, die Varietät als Typica F. S. L. (für Finca San Luis) zu taufen, da der Phänotyp an Typicas erinnert.
Im Lichte dieser vielschichtigen Tätigkeit greift es zu kurz, Desarrolladores de Café als Importunternehmen zu bezeichnen. Viel mehr hat sich das Unternehmen einer modernen und innovativen Vorgehensweise verpflichtet, und setzt sich sozial und nachhaltig in Kolumbien dafür ein, die Synchronisierung zwischen Produzent*innen und Weltmarkt auf allen Ebenen zu verfeinern. Nikolai ist sich über die Grenzen seiner Wirksamkeit bewusst, bezeichnet seine Tätigkeit als Mikrorevolution. Man ändere nicht die ganze große Welt, habe aber die Möglichkeit, einige kleine Welten zu verändern. Gleichwohl ist klar, dass einer global spürbaren Entlastung eines belasteten Sektors ein Umdenken auf vielen Ebenen vorausgehen muss - und vieles davon hängt mit Konsumentscheidungen im globalen Norden zusammen. Es sind Entscheidungen, die ein Einzelner nicht beeinflussen kann, vielleicht auch deshalb hat sich Nikolai für den Weg entschieden den er geht. Es ist ein Weg, dem ein klarer Hands on Approach zugrunde liegt und der mit einem exzellenten Gespür für den schmalen Grat zwischen Hilfestellung und Bevormundung eine Reihe von Mikrorevolutionen angestoßen hat.
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