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Juli 25, 2022 4 min lesen.
San Gabriel - unter diesem Namen präsentieren wir eine Orange Tabi ist ein herausragendes Beispiel eines Kaffees aus der kolumbianischen Provinz Huila. Üblicherweise wird Kaffee in Huila gewaschen aufbereitet und das hilft auch dieser Orange Tabi dabei, ein klares und sauberes Tassenprofil auszubilden. Typisch für einen kolumbianische Kaffee sind die spritzigen Fruchtsäuren, deren sublime Süße im Zusammenspiel mit gesetzteren Noten von Kakao für eine runde und ausgewogene Tasse sorgen.
Kaffeeanbau in Kolumbien ist längst nicht mehr so ein starker Wirtschaftszweig, wie er es einmal war. Zwar sind die Exportvolumina unbestritten hoch, doch der Anteil am Bruttoinlandsprodukt ist stetig gefallen und liegt heutzutage zwischen 10% und 16%. Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der KaffeefarmerInnen in Kolumbien seit einiger Zeit an und lag im Jahr 2018 bei 49 Jahren in der Region Huila, in der auch die Finca San Gabriel liegt - die Daten weisen allesamt darauf hin, dass der kolumbianische Kaffeeanbau ein Nachwuchsproblem hat. Damit ist Kolumbien unter den kaffeeproduzierenden Ländern bei weitem nicht allein, denn es ist ein hartes Geschäft: Preisschwankungen, globaler Klimawandel und dadurch begünstigte Krankheiten an der Kaffeepflanze erschweren KaffeefarmerInnen weltweit die Arbeit. Nur verständlich, dass es den Nachwuchs in andere Bereiche zieht.
Um die Zukunft des kolumbianischen Kaffeeanbaus etwas aussichtsreicher zu gestalten, haben sich die kolumbianischen KaffeefarmerInnen schon ab 1927 in der FNC (Federácion Nacional de Cafeteros) organisiert. Aufgrund des immer noch sehr großen Anteils des Kaffeeanbaus an der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes genießt die FNC einen großen Einfluss bis in die höheren politischen Kreise und versucht, die Zukunft des Kaffeeanbaus in Kolumbien mitzugestalten. Vor dem aktuellen Hintergrund hat die FNC ein Strategiepapier entwickelt, das den Kaffeeanbau in der Dekade zwischen 2020 und 2030 attraktiver zu gestalten versucht.
Praktisch gibt es zwei übliche Ansatzpunkte für kolumbianische KaffeefarmerInnen, um ihr Geschäft aufzusetzen. Der traditionelle Ansatz liegt darin, unter möglichst niedrigem finanziellen Aufwand hohe Auslastung pro Hektar zu erzielen. Die so angebauten Kaffees werden unter dem Namen „Columbian Milds“ auf dem Weltmarkt gehandelt. Zwar haben die so agierenden FarmerInnen weniger finanziellen Aufwand mit ihrer Produktion, sie sind dafür aber abhängig von sehr schwer kontrollierbaren Mechanismen des weltweiten Kaffeehandels und daher sehr anfällig für Preisschwankungen. Der moderne Ansatz wiederum besteht darin, auf Klasse statt auf Masse zu gehen: unter Einsatz von elaborierten Techniken soll eine möglichst hohe Qualität - gemessen durch Cupping Scores, wie sie im Spezialitätenkaffee übliche Techniken der Preisfindung sind - des Kaffees erzielt werden. Zwar müssen FarmerInnen die so vorgehen mehr Aufwand betreiben, sie werden aber auch mit deutlich höheren Preisen belohnt und haben, auch aufgrund von immer größeren Kenntnissen, deutlich mehr Kontrolle über den wichtigsten Hebel ihres Produkts - die Qualität.
Das Strategiepapier der FNC ermutigt FarmerInnen über die Bereitstellung von Finanzierung und Know-How, den zweiten Ansatz zu verfolgen, um höhere Profite erzielen zu können. Generationswechsel sind hierbei oft ein kritischer Moment, denn wenn die Farm von Eltern zu Kindern übergeht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese einen Wandel anregen, oftmals höher. So ist es geschehen auf der Finca San Gabriel, als Graciela Rodriguez Ospina die Kontrolle übernahm. Um höhere Qualitäten zu produzieren hat sie unter anderem neue Varietäten angepflanzt - unter anderem die Orange Tabi, wie wir sie euch präsentieren.
Doch es ist nicht nur die Priorisierung einer höheren Qualität, die Graciela zu einer fortschrittlichen Farmerin macht. Mit ihrer bewussten Entscheidung, Frauen die Hauptrolle auf ihrer Farm spielen zu lassen, wendet sie sich gegen lang etablierte und festgefahrene Rollenbilder, die im kolumbianischen Kaffeeanbau nach wie vor stark verwurzelt sind. Typischerweise sind Kolumbiens Kaffeefarmen Familienunternehmen mit einem Mann an der Spitze. Die allgemeine Sicht auf diese Unternehmen ist nach wie vor sehr traditionell geprägt. Während die Männer an der Spitze oftmals als sorgsame Instanzen präsentiert werden, die das ganze Geschäft inklusive die größeren familiären Belange im Blick behalten, vor allem aber auch hart arbeiten und ihren Kindern vorleben, wie die fragile Natur der Farm am besten gepflegt wird, wird den Frauen im Kaffeeanbau zumeist die Rolle der fürsorglichen Unterstützerin zugeschrieben - sie vollzieht wichtige soziale Aufgaben innerhalb der Farm und der weiteren Community, ist aber auf dem Feld nicht mehr als die ausführende Hand des kenntnisreichen Mannes. Dieses starre Geschlechterbild führt in der Praxis oftmals zu erschwertem Zugang für Frauen zu Finanzierung und Wissen wenn es um eigene Projekte geht, denn ihre traditionelle Rolle sieht ja eigentlich gar keine Notwendigkeit für solche Bedürfnisse vor - Gracielas offensiv vorgetragene Botschaft, dass Frauen jeden Schritt der Produktionskette mindestens genauso gut wie ihre männlichen Konterparts erledigen können, ist also eine dringend benötigte Stellungnahme in einem Feld, in dem vorwiegend männlich geprägte Selbstwahrnehmung und die Realität nicht im Einklang miteinander stehen.
Kolumbiens Kaffeeanbau war schon immer davon geprägt, dass er vielfältig und wandelbar war und auf Bedrohungen aktiv zu reagieren versucht hat. Nicht umsonst hat die FNC im Angesicht großer Umweltproblematiken das Forschungsinstitut Cenicafé ins Leben gerufen, eine Institution, die sich der Kreuzung neuer Varietäten verschrieben hat und auf die so namhafte Varietäten zurück gehen wie Castillo, oder eben auch Tabi, die beide gezielt auf Resistenz gegen Ernte bedrohende botanische Krankheiten ausging. Eine Generation später hat sich die Problemlage diversifiziert: die Gefahren, denen der kolumbianische Kaffeeanbau ausgesetzt ist, werden nicht mehr ausschließlich in botanischen und ökologischen Feldern identifiziert, sondern zunehmend auch im gesellschaftlichen Kontext des kolumbianischen Kaffeeanbaus. Deshalb versuchen Farmen wie die Finca San Gabriel unter der Leitung von Graciela Rodriguez Ospina nun ihre eigenen Antworten auf neue sozioökonomische Fragen zu finden.
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